In der Verbindung mit Todesfällen nach der Einnahme des Bleichmittels Chlordioxid hat die Staatsanwaltschaft in Argentinien nun Anklage gegen Andreas Kalcker sowie weitere Personen erhoben. Im Falle einer Verurteilung drohen dem Deutschen bis zu 25 Jahre Haft.
Vor wenigen Wochen und seine Aktivitäten rund um ätzende Chlordioxid-Verbindungen. Auf seiner Webseite und in den sozialen Medien, aber auch in Büchern und Kongressen wirbt er unter anderem für das angebliche Wundermittel Mineral Miracle Supplement (MMS), welches nichts weiter ist als industrielles Bleichmittel. Bei Verschlucken der Chlorverbindungen (MMS oder Chlordioxidlösungen – CDL/CDS) drohen Schäden an Magen und Darm, einhergehend mit Übelkeit, Erbrechen und Durchfall.
Auch etliche Todesfälle – etwa in den – werden inzwischen in Verbindung mit der Einnahme von Chlordioxid gebracht, obwohl die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA warnte.
Per Website wirbt Kalcker für MMS und dessen angebliche Wirkungen gegen das Coronavirus SARS-Cov-2. Wie der Business Insider im September 2020 schrieb, ist der gebürtige Wuppertaler und derzeitige Wahlschweizer sehr aktiv. Sowohl die in Argentinien als auch die warnten im August 2020 vor der Einnahme von Chlordioxid oder verwandten Stoffen wie Natriumchlorit oder Natriumhypochlorit.
Trotzdem mehrten sich in Südamerika Meldungen von Vergiftungen und Todesfällen, nachdem Menschen zum vermeintlichen Schutz vor COVID-19 Chlordioxid eingenommen hatten. berichteten im September des letzten Jahres von zahlreichen Vergiftungsfällen in Verbindung mit Chlordioxid, ein Mann soll gestorben sein . Ein aus der argentinischen Provinz Neuquen soll bereits im August 2020 gestorben sein, nachdem seine Eltern ihm Chlordioxid zu trinken gegeben hatten. Ebenfalls in Argentinien, in der Provinz Jujuy, soll es einen weiteren Toten gegeben haben, einen 50-Jährigen Mann.
Wenige Tage, nachdem der Tod des Kindes in Argentinien bekannt geworden war, hatte ein Rechtsanwalt Anzeige gegen Andreas Kalcker und eine weitere Person bei der argentinischen Strafverfolgungsbehörde für Gesundheits- und Umweltkriminalität „Unidad Fiscal para la Investigación de Delitos contra el Medio Ambiente“ (UFIMA) erstattet (die Unterlagen liegen MedWatch vor). Er warf den beiden vor, Chlordioxid über verschiedene Kanäle mit falschen Heilsversprechen beworben sowie über eine inzwischen nicht mehr erreichbare Webseite verschiedene Chlor-Verbindungen verkauft zu haben. Daraufhin ermittelte die .
Das Wichtigste in Kürze:
Die Werbung wie auch die Homepage des "Erfinders" Jim Humble versprechen wahre Wunder: "Für AIDS, Hepatitis A, B und C, Malaria, Herpes, Tuberkulose, die meisten Krebsformen und viele weitere ernste Erkrankungen gibt es nun eine Lösung. Zahlreiche Krankheiten lassen sich jetzt erfolgreich bekämpfen..." Tatsächlich gibt es keine einzige wissenschaftliche Studie, die irgendeine positive Wirkung von MMS (= CDL) belegt und auch für Jim Humbles zahlreiche "Erfahrungsberichte" finden sich keinerlei Nachweise. Das gilt auch für die angebliche Wirkung gegen den SARS-CoV2-Virus - egal was in sozialen Medien derzeit verbreitet wird.
Aktuell wird in den USA gegen MMS-Produkte vorgegangen, die gegen Covid-19 / Corona helfen bzw. davor schützen sollen. Diese könnten via Internetbestellung auch zu uns gelangen. Auch aus Österreich, Italien und der Schweiz gibt es solche amtlichen Warnungen: "Chlordioxidlösungen haben keine Wirkung gegen COVID-19 und es besteht ein begründeter Verdacht auf schädliche Wirkungen."
Seit 2020 melden die Giftnotrufzentralen verstärkt Vergiftungen durch MMS - meist eingesetzt als Hoffnung gegen das neuartige Corona-Virus SARS Cov 2.
Das Giftinformationszentrum Nord in Göttingen, zuständig für die Länder Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein) zählte laut Recherchen von MedWatch 98 Vergiftungen mit Chlordioxid und MMS zwischen 2010 und 2020 . Das Giftinformationszentrum in Erfurt, zuständig für Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) registrierte 52 Vergiftungen zwischen 2011 und 2021. Auffallend ist die Zunahme der Häufigkeit seit 2020.
Hamburg - Seit Monaten wurde ein vermeintliches Wundermittel über das Internet intensiv beworben und über dubiose Online-Shops verkauft: "Miracle Mineral Supplement", kurz MMS, es soll gegen allerhand Leiden gleichzeitig helfen - Krebs, MS, Autismus, Alzheimer.
Doch die "Wunder-Mineralienergänzung" ist gefährlich. Sie besteht aus Natriumchlorit (nicht zu verwechseln mit Natriumchlorid, also Kochsalz) und einer Zitronensäure-Lösung als "Aktivator". Werde beides vermischt, entstehe Chlordioxid, ein giftiges Gas mit stechendem, chlorähnlichem Geruch, berichtet das das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Chlordioxid diene als Bleichmittel von Papier und zur Desinfektion von Trinkwasser und verursache schwere Verätzungen der Haut und schwere Augenschäden. MMS ist kein offizielles Arzneimittel, es gibt keine Zulassungsstudien, die die Sicherheit und Wirkung attestiert hätten.
Zulassungspflichtig + bedenklich = verboten
Am Donnerstag hat das BfArM nun die "Miracle Mineral Supplement"-Produkte MMS und MMS2 der Firma Luxusline Ltd. als zulassungspflichtige Arzneimittel eingestuft. Zulassungspflichtige Arzneimittel dürfen nach Angaben der Behörde nur in Verkehr gebracht werden, wenn in einem Zulassungsverfahren Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und Qualität belegt worden sind. Diese Nachweise fehlen für MMS.
Das BfArM habe die beiden Produkte MMS und MMS2 als sogenannte Präsentationsarzneimittel eingestuft, weil der Hersteller eindeutige Heilversprechen mache und arzneiliche Zweckbestimmungen angebe, heißt es in der Pressemitteilung. Als Präsentationsarzneimittel werden Produkte eingestuft, die zur Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten bestimmt sind. In diesen Fällen sei nicht die pharmakologische Wirkung eines Stoffes ausschlaggebend, sondern die Frage, wie ein Produkt ausgelobt werde und wie es daraufhin vom Verbraucher verstanden werde.
Dadurch wolle der Gesetzgeber erreichen, dass Mittel wie MMS im Sinne des vorbeugenden Patientenschutzes arzneimittelrechtlich kontrolliert werden und nicht ohne behördliche Zulassung in den Verkehr gebracht werden dürfen, schreibt das BfArM.
Beide Produkte wurden von der Behörde außerdem als bedenklich eingestuft, weil der begründete Verdacht besteht, dass sie "bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen haben, die über ein vertretbares Maß hinausgehen". Die Arzneimittelbehörde hatte bereits im Mai 2014 vor Natriumchlorit-Produkten gewarnt . Gegen die nun vorgenommene Einstufung als zulassungspflichtiges Arzneimittel kann der Hersteller innerhalb eines Monats Widerspruch erheben.
Möglich wurde die Reaktion des BfArM, weil eine Landesbehörde zuvor einen Antrag gestellt hatte, das Bundesinstitut möge entscheiden, ob es sich bei dem umstrittenen Wundermittel MMS um ein zulassungspflichtiges Arzneimittel handele oder nicht. Nach der Entscheidung des Bundesinstituts sind nun wieder die Gesundheitsämter in den Ländern gefragt. Sie können auf Basis des BfArM-Votums "ordnungsbehördliche Maßnahmen zum Schutz der Patienten einleiten", also zum Beispiel die Einfuhr von MMS-Produkten oder deren Verkauf verbieten.
Behörden in Amerika, Kanada, Frankreich und Deutschland warnen schon lange vor MMS. Dort wurden nach Einnahme von MMS unerwünschte Wirkungen wie Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall, Nierenversagen, Verätzungen der Speiseröhre sowie Atemstörungen durch Schäden an roten Blutkörperchen beobachtet.